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Am Morgen des 27. Mai 1942 machten sich zwei junge Tschechoslowaken auf, den Mann zu erschießen, der in ihrer Heimat die Unterdrückung durch die Deutschen verkörperte: Reinhard Heydrich. Mit ihm starb einer der gefürchtetsten Nationalsozialisten, ein gewissenloser Mann, der an führender Stelle den Massenmord an den europäischen Juden mitgeplant hatte und den sogar seine Kollegen hassten.
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Es war das einzige erfolgreiche Attentat auf einen führenden Nationalsozialisten. Und doch waren die Namen der Attentäter, Jozef Gabčík und Jan Kubiš, außerhalb Tschechiens und der Slowakei lange Zeit kaum bekannt. Erst 2009, nach 67 Jahren, wurde den Attentätern des 27. Mai in Prag ein Denkmal gesetzt. 2010 erschien der Roman „HHhH (Himmlers Hirn heißt Heydrich)“ des französischen Schriftstellers Laurent Binet. 2016 wurde ein Film über die „Operation Anthropoid“, dem Decknamen des Attentats, gedreht, mit internationalen Stars in den Rollen der Attentäter. Zum 75. Jahrestag 2017 strahlt das niederländische Fernsehen jetzt die Verfilmung von HHhH als Serie aus.
Warum hat das alles so lange gedauert? Die Lebensgeschichten der drei Männer könnten jede für sich schon einen ganzen Film füllen. Der Slowake Jozef Gabčík, ein Handwerker und Arbeiter, floh nach Polen, als die Deutschen im Frühjahr 1939 die überwiegend von Tschechen bewohnten Teile der Rest-Tschechoslowakei besetzten und das „Protektorat Böhmen und Mähren“ errichteten. Dort lernte er im Flüchtlingslager den Tschechen Jan Kubiš kennen, einen früheren Soldaten, der sich dem Widerstand angeschlossen hatte.
Grausame Vergeltung für den Tod des Massenmörders
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Beide gingen zur Fremdenlegion und kämpften in Frankreich gegen die deutschen Truppen, wurden dann nach England gebracht. Sie meldeten sich freiwillig bei einer Sondereinheit der Nachrichtendienste, der Special Operations Executive (SOE), die Widerstandskämpfer in besetzten Ländern unterstützte und Sabotageaktionen durchführte. Von der SOE ließen sie sich zu Fallschirmspringern ausbilden und in die Heimat zurückfliegen. Mit dem Fallschirm sprangen sie schließlich über ihrem Land ab, um Heydrich zu töten.
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Reinhard Heydrich war durch Zufall zu den Nationalsozialisten gekommen. 1931 war er gerade wegen einer gelösten Verlobung unehrenhaft aus der Reichsmarine entlassen worden und brauchte dringend einen Job. Etwas Soldatisches sollte es sein. Da kam es gerade recht, dass Heinrich Himmler, Chef der SS, einen Geheimdienst aufbauen wollte.
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Heydrich hatte zwar keine Ahnung von nachrichtendienstlicher Arbeit, überzeugte Himmler aber mit einem hastig aus Spionageromanen zusammengestückelten Konzept und später mit Ehrgeiz und Skrupellosigkeit. Es schadete vermutlich auch nicht, dass er als großer, blonder Mann einer der wenigen führenden Nationalsozialisten war, die das Ideal des „Ariers“ tatsächlich verkörperten.
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Heydrich baute also den Sicherheitsdienst (SD) auf, der 1939 im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) aufging, dessen Chef er ebenfalls wurde. Als RSHA-Leiter war er einer der mächtigsten Männer des Dritten Reiches und Hauptorganisator des Holocaust. Wenige Monate vor seinem Tod leitete er noch die Wannseekonferenz, auf der die Deportation der europäischen Juden nach Osteuropa und ihre Ermordung koordiniert wurden.
Zudem wurde er im September 1941 zum stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren ernannt. Da der eigentliche Protektor Konstantin von Neurath de facto entmachtet war, fungierte Heydrich als Hitlers Mann in der ehemaligen Tschechoslowakei und hatte die Aufgabe, den Widerstand der Bevölkerung zu brechen. Seine eigentliche Mission ging aber viel weiter, wie er vor Mitarbeitern unumwunden zugab: „Der Tscheche hat in diesem Raum letzten Endes nichts verloren.“
Das Attentat hinderte Heydrich daran, seine Pläne durchzusetzen. Fast wäre aber in letzter Sekunde alles anders gekommen.
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Gabčík und Kubiš hatten sich am 27. Mai 1942 an einer Straßenbahnhaltestelle in Prag versteckt. Ihr Komplize Josef Valčík sollte sie warnen, wenn Heydrich vorbeifuhr. Der 38-Jährige ließ sich gern in einem offenen Mercedes zur Arbeit auf der Prager Burg chauffieren. Als sein Auto durch eine Kurve fuhr, schoss Gabčík. Doch die Pistole versagte. Ladehemmung. Kubiš warf eine Handgranate, die das Auto beschädigte und Heydrich, aber auch ihn selbst, verwundete.
Reinhard Heydrich, Organisator des Holocaust
Der RSHA-Chef starb acht Tage später an seinen Verletzungen im Krankenhaus. Die Attentäter versteckten sich mit weiteren Widerstandskämpfern in der Prager Karl-Borromäus-Kirche – wurden aber verraten. Am 18. Juni umstellten Gestapo und SS die Kirche. Bei den folgenden Gefechten wurden drei der Widerstandskämpfer, darunter Kubiš, tödlich verwundet.
SS-Männer drangen in die Kirche ein. Sie versuchten, die Überlebenden mit Tränengas herauszutreiben und die Krypta zu fluten, um sie zu ertränken. Schließlich nahmen sich die vier letzten selbst das Leben, bevor sie erschossen werden konnten.
Dass die Attentäter der „Operation Anthropoid“ heute fast vergessen sind, hat wohl vor allem mit dem Schrecklichen zu tun, das folgte. Die Nationalsozialisten nahmen grausam Rache. Noch bevor die Täter gefunden waren, wurden weit über 1000 Tschechoslowaken unter dem Vorwand, das Attentat „gutzuheißen“, hingerichtet. Ordnungspolizisten, SS und Gestapo zerstörten die Dörfer Lidice und Lezaky, erschossen die männlichen Einwohner und brachten Frauen und Kinder in Konzentrationslager, um sie dort ermorden zu lassen. Im ganzen Reichsprotektorat herrschte Terror, wurde gefoltert und gemordet.
Zudem schmerzte es viele Tschechen, dass Heydrichs Taktik in Prag, mit der er den Widerstand stoppen sollte, ziemlich erfolgreich war. Bis zu Heydrichs Ankunft nämlich hatten sich viele nicht groß um die Nationalsozialisten geschert, Befehle seines Vorgängers Neurath wurden oft nur schleppend befolgt.
Doch die tschechoslowakischen Fabriken waren enorm wichtig für die Nationalsozialisten, vor allem für die Rüstung. Heydrich musste die Zustände also ändern. Er wandte das bewährte Prinzip an, die einen zu strafen und die anderen zu locken. Juden und Oppositionelle wurden deportiert und ermordet. Die Situation der normalen Arbeiter aber verbesserte er, verschaffte ihnen Sozialversicherungen und größere Lebensmittelrationen. Dadurch erlahmte der Widerstand im Inland. Vor allem das bewog offenbar Edvard Beneš, den Präsidenten im britischen Exil, zusammen mit der SOE das Attentat zu planen.
Heydrich war tot. Für das „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ aber gingen Terror und Krieg weiter. Erst Anfang Mai 1945 wurden Tschechen und Slowaken von der US-Armee und der Roten Armee befreit.
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Dieser Artikel wurde erstmals im Mai 2017 veröffentlicht.